„Black Mirror“ (Staffel 6, 2023)

Doreen Kaltenecker
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Serienkritik: Die Anthologie-Serie „Black Mirror“, welche 2011 mit den ersten drei Folgen begann, wurde nun um weitere sechs Folgen erweitert, die getreu dem Motto der Serie einen düsteren Blick in die Zukunft geben und sich dabei in den verschiedenen Genre erproben. Die Ideen und Drehbücher für alle Folgen lieferte der Autor Charlie Brooker, der seit Beginn der Serie als Showrunner fungiert.

Folge 1: Joan is Awful

Annie Murphy

Die 63-minütige erste Folge der sechsten Staffel erregt wohl am meisten Aufsehen, da sich diese am deutlichsten mit zeitaktuellen Themen und Problemen beschäftigt und gleichzeitig den eigenen Streaming-Anbieter aufs Korn nimmt. In der Folge entdeckt Joan (Annie Murphy), dass es eine Serie bei Streamberry gibt, die exakt aus ihrem Leben berichtet und bei der sie von Salma Hayek (Salma Hayek) verkörpert wird. Dabei werden alle Geheimnisse offengelegt, seien es ihre Affäre oder ihre Grausamkeit gegenüber Kolleg:innen. Jetzt beginnt Joans Kampf gegen ein riesiges Unternehmen, dass sich die Rechte an ihrer Geschichte gesichert hat. Die Fabulierlust in der Folge aus der Hand des Drehbuchschreibers Charlie Brooker ist groß, die Bezüge klar erkennbar und die Kritik an unserem Konsumverhalten sowie dem Umgang mit unseren Daten ist mehr als deutlich verpackt. Dass diese Folge trotz ihrer Plakativität so gut funktioniert, liegt an der soliden Inszenierung von Ally Pankow und dem großartigen Cast, allen voran Annie Murphy (bekannt durch „Schitt’s Creek“ (2015-2020)) und Salma Hayek („From Dusk Till Dawn“ (1996), „House of Gucci“ (2021)), die sich hier augenzwinkernd selbst spielt. Gleichzeitig greift es das aktuelle Thema (Ersetzen von Schauspielern durch eine KI) der Streiks in Hollywood auf. In kleineren Nebenrollen sieht man Michael Cera („Juno“ (2007), „The Adults“ (2023)), Avi Nash („The Walking Dead“ (2017-2020)) und Himesh Patel ( „Yesterday“ (2019), „Station Eleven“ (2020)). 

Bewertung: 3/5


Folge 2: Loch Henry

Myha’la Herrold und Samuel Blenkin

True Crime bevölkert die Podcast- genauso wie die Film- und Serienlandschaft, sei es als Dokumentationen oder als Spielfilm-Aufbereitung. Kein Wunder, dass sich eine Black Mirror-Folge dem Thema widmet. In der Folge „Loch Henry“, bei der Sam Miller die Regie übernahm, besuchen die beiden Filmstudenten Pia (Myha’la Herrold) und Davis (Samuel Blenkin) dessen Mutter in seiner schottischen Heimat. Als sie von den wahren Verbrechen in diesem Ort erfahren, beschließen sie, darüber einen Film zu drehen und tauchen dabei in die Vergangenheit von Davis’ Familie und des gesamten Ortes ein. Das Drehbuch von Charlie Brooker bringt zielsicher auf den Punkt, was der Kritikpunkt an dem medialen Konsum solcher Stoffe ist. Das Ende macht mehr als deutlich, dass hinter True Crime immer reale Schicksale liegen. Bis dahin ist der Film handwerklich spannend inszeniert und auch wenn man den einen oder anderen Twist erahnt, bleibt man mit viel Interesse, auch wegen der beiden sympathischen Hauptfiguren (gespielt von den beiden unbekannten Darsteller:innen Myha’la Herrold und Samuel Blankin), dabei. So spielt diese Folge ganz im Hier und Jetzt und bedient sich der Mittel einer Gattung, um diese selbst anzuprangern.

Bewertung: 4/5


Folge 3: Beyond the Sea

Auden Thornton und Josh Hartnett

Die 79 Minuten lange Folge fängt spannend an: Sie spielt in der Vergangenheit, aber gleichzeitig auch in der Zukunft. Die beiden Astronauten David (Josh Hartnett) und Cliff (Aaron Paul) befinden sich seit geraumer Zeit im Weltall. Damit sie und ihre Familie selbst trotzdem nicht aufeinander verzichten müssen, gibt es jeweils einen Avatar auf der Erde, in den ihr Geist schlüpfen kann, so dass sie ihre Zeit gleichzeitig auch daheim verbringen können. Doch bestimmte Menschen auf der Welt hassen diese Avatare und so erleidet David einen harten Schicksalsschlag. Cliff und seine Frau Lana (Kate Mara) beschließen, ihm zu helfen und überlassen ihm kurzzeitig den Avatar von Cliff. Eine spannende Ausgangsprämisse, deren erster Akt mit der schockierenden Brutalität auch tief berührt, sich aber mit dem Verlauf der Geschichte immer mehr in erwartbaren, melodramatischen Wendungen verliert. Bald geht es nur noch um das Herzleid und Beziehungen, statt die faszinierende Retro-Sci-Fi-Welt weiter auszubauen. So wird die Folge aus der Hand des Regisseurs John Crowley („Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten“ (2015)) enervierend und hinterlässt einen schalen Eindruck, da hilft auch das gute Spiel aller Darsteller:innen nicht, da die Figuren wie auch die Geschichte zu offensichtlich und platt angelegt sind.

Bewertung: 2/5


Folge 4: Mazey Day

Zazie Beetz

In der vierten Folge, welche von Uta Briesewitz inszeniert wurde, erzählt die Serie eine klassische Geschichte, entlehnt aus einem längst etablierten Genre. Die Paparazzi-Fotografin Bo (Zazie Beetz) ist schon lange im Geschäft und kennt auch dessen schmutzige Seiten. Um endlich diesen Beruf an den Nagel hängen zu können, begibt sie sich wie viele Kollegen auf die Suche nach der Schauspielerin Mazey Day (Clara Rugaard), die von einem Dreh geflohen ist, Fahrerflucht begangen hat und nun verschwunden zu sein scheint. Bo hat eine heiße Spur, an die sich aber auch ihre Kollegen heften. Vor Ort eskaliert es schnell, denn Mazey ist weitaus gefährlicher als erwartet. Die Auflösung der Geschichte ist so denkbar einfach, wie man es bei allen Vorzeichen erwartet. So ist die eigentliche Geschichte kaum von Relevanz. Interessant an dem filmischen Stoff ist vor allem die Verknüpfung von weiblichem Paparazzi und dem doch eher männlichen dominierten Geschäft. Zazie Beetz, bekannt aus „Atlanta“ (2016) und „The Joker“ (2019) spielt ihre Rolle souverän, wenn auch nicht sympathisch. Die Umsetzung ist tadellos, aber es hilft der Folge leider nicht, sich aus der Masse jener Stoffe hervorzuheben und man fragt sich unweigerlich, was dies in der ansonsten so gesellschaftskritischen Serie zu suchen hat. 

Bewertung: 2/5


Folge 5: Demon 79

Paapa Essiedu

Das Highlight der Staffel ist die fünfte Folge, auch wenn man dieser etwas Rückwärtsgewandtheit und die Verwendung von bekannten Elementen vorwerfen könnte. Die unglückliche Verkäuferin Nida (Anjana Vasan) hat oft böse Gedanken, mit denen sie der Ungerechtigkeit dieser Welt wie Rassismus und Sexismus begegnet. Als sie eines Tages aus Versehen den Dämon Gaap (Paapa Essiedu) beschwört, und obwohl er dann auch noch so sympathisch aussieht wie einer der Sänger von Boney M, will sie trotzdem seinen Auftrag nicht annehmen. Doch schnell gibt sie sich der Aufgabe hin, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Im Gewand der 70er Jahre und mit Versatzstücken aus Horrorfilmen geht es um die große Frage, ob man wegschauen soll, wenn die Welt buchstäblich untergeht. Die Verbindung zu den aktuellen Themen schwingt über die Folge nur leicht mit, setzt sich aber als Gefühl am Ende durch. Unter der Regie von Toby Haynes („Doctor Who“ (2010-2011), „Andor“ (2020)) entstand ein gelungener Retro-Horror-Film, der sich munter beim Genre bedient und damit etwas Neues kreiert. Auch die Wahl der Hauptdarsteller:innen Anjana Vasan und Paapa Essiedu ist vortrefflich und trägt viel zur Wirkung des Films bei. So entstand eine starke, sehr unterhaltsame und bitterböse Episode, die Bezug auf die Wegschauen-Mentalität der heutigen Zeit nimmt.

Bewertung: 4/5

Fazit: Die Anthologie-Serie „Black Mirror“ geht in die sechste Runde. Mit ihren fünf Episoden bedient sich die Serie aus der Hand von Charlie Brooker bestimmten Genres, greift bei manchen aktuellen gesellschaftskritischen Themen auf und nimmt sich bei anderen dagegen zurück und besinnt sich auf klassische Stoffe. So unterschiedlich die Genres, so unterschiedlich sind auch die Geschichten und Botschaften, die sie erzählen. So wird man als Zuschauer:in die eine oder andere Folge mit Sicherheit besser und überzeugender finden, als manch andere. 

Trailer zur Staffel 6 der Serie „Black Mirror“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

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