„Atlanta“ (Staffel 1, 2016)

Doreen Kaltenecker
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Serienkritik: Der Schauspieler Donald Glover, den man aus der Sitcom „Community“ (2009-2015) und dem Star-Wars Film „Solo: A Star Wars Story“ (2018) oder als Musiker Childish Gambino kennt, schuf nach eigenen Aussagen mit der Serie „Atlanta“ eine Möglichkeit, sich als Zuschauer:in einzufühlen, wie es sich anfühlt, schwarz zu sein. Doch unabhängig von diesem hochtrabenden Konzept, ist die Serie, deren zehn Folgen der ersten Staffel 2016 ausgestrahlt wurden, eine gelungene Aneinanderreihung von skurrilen und alltäglichen Szenen aus dem Leben.

Earn (Donald Glover) weiß nicht so richtig, wohin mit seinem Leben. Er hat keine eigene Wohnung, wohnt bei Vanessa (Zazie Beetz), mit der er ein gemeinsames Kind hat und eine On-Off-Beziehung führt, und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Als er  erfährt, dass sein Cousin Alfred Miles (Brian Tyree Henry) als Rapper ‚Paper Boi‘ viral erfolgreich ist, setzt er sich kurzerhand als dessen Manager ein. So wird er gleich in eine Schießerei reingezogen, muss er auch den dauerbekifften Freund Darius (Lakeith Stanfield) ertragen und versucht mit Auftritten die Karriere seines Cousins anzukurbeln, der viel lieber zu hause bleiben möchte und auch ungern ein Gangster-Image verpasst bekommt.

Brian Tyree Henry, Lakeith Stanfield und Donald Glover

In den nur 250 Spielminuten der zehn Folgen der ersten Staffel, die man auf Disney Plus streamen kann, erzählt der Serienerfinder Donald Glover, der auch die Hauptrolle übernahm, aus dem Leben von ganz normalen Menschen, denen hin und wieder etwas Schräges widerfährt, sei es eine eskalierende Auseinandersetzung, eine krude Talkshow oder das ihnen immer wieder ein bestimmter Hund über den Weg läuft. Doch im Mittelpunkt jeder Folge steht ein Ereignis, das die Figuren und ihre Flechtungen vertieft. Dabei kann es sich zwischen den Folgen anfühlen, als ob man etwas verpasst hat. Glover ging es hier nicht um einen roten Faden, sondern er umreißt in einzelnen Vignetten seine alltäglichen Helden. Dabei verzichtet er wohltuenderweise auf klischeehafte Entwicklungen der Musikbranche-Geschichte genauso wie auf einen kritischen Blick auf die On-Off-Beziehung von Earn und Van, die hier ganz normal eingeflochten ist und eben nicht wie ansonsten oft problematisiert wird. Auch viele ernste Themen werden hier ohne Probleme wie nebenbei eingebaut, seien es Diskriminerung, Rassismus, Armut, Snobismus der Musikbranche oder die ständige Konfrontation mit Vorurteilen. Dabei wird die Serie meistens chronologisch erzählt und besticht mit ihrem dezidierten Humor und vielen Einfällen – wie einem schwarzen Justin Bieber – so dass man gerne Folge um Folge am Stück schaut. Aber ob das von Glover ausgesprochene höhere Ziel – zu erfahren wie es sich anfühlt schwarz zu sein – erreicht wird, muss jede:r Zuschauer:in für sich selbst entscheiden. 

Brian Tyree Henry und Donald Glover

Der Regisseur Hiro Murai, der auch einige Folgen der Dystopie-Serie „Station Eleven“ (2022) realisierte, findet die passende Inszenierung für die Geschichten. Fest in der Realität verankert, baut er immer wieder das Ungewöhnliche ein und weiß das dann auch in Szene zu setzen. Die Kamera wie auch die Erzählweise ist eher entschleunigt und lässt den Figuren viel Raum zu atmen. In dieser Welt spielt ein hochkarätiger Cast seine Protagonist:innen mit großer Bodenständigkeit. Neben Donald Glover sind die Hauptrollen mit Brian Tyree Henry („Hotel Artemis“ (2018), „Beale Street“ (2019), „Bullet Train“ (2022)), LaKeith Stanfield („Get Out“ (2017), „Knives Out – Mord ist Familiensache“ (2019), „Judas and the Black Messias“ (2021)) und Zazie Beetz („Deadpool 2“ (2018), „Joker“ (2019), „Lucy in the Sky“ (2019)) besetzt. Schön ist, dass in den Folgen immer wieder eine andere Person in den Fokus der Geschichte rückt und sich so der Schwerpunkt mehrmals verschiebt. Im Gesamten passen Cast und Story wunderbar zusammen und die Serie weiß immer wieder zu überraschen sowohl in der Erzählung wie auch in der Inszenierung.

Zazie Beetz und Donald Glover

Fazit: „Atlanta“ ist eine Serie von Donald Glover, die von vier Menschen in Atlanta und ihrem Leben erzählt. Sprung- und episodenhaft konzentriert sich die erste Staffel auf wenige Ereignisse, die aber zugleich die Figuren profilieren und wie nebenbei viele wichtige Themen der Zeit ansprechen. Der Erzählstil ist dabei etwas gegen die Narration gebürstet, überrascht aber immer wieder mit treffsicheren Episoden, so dass man gern Folge um Folge, die jeweils nicht länger als 35 Minuten sind, wegschaut. 

Bewertung: 4/5

Streaming-Start: auf Disney Plus verfügbar

Trailer zur Staffel 1 der Serie „Atlanta“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

 

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