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Die Morde an jungen Frauen erschüttern Amerika. Als die FBI-Anwärterin Clarice Starling (Jodie Foster) von Jack Crawford (Scott Glenn) aus ihrer Ausbildung heraus geholt wird, damit sie den sich in Haft befindlichen Serienmörder und Kannibalen Dr. Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) befragen soll, ahnt sie schon, dass es dabei auch um die aktuellen Fälle geht. Als der von der Presse genannte Buffalo Bill (Ted Levine) als nächstes Opfer die Tochter einer Senatorin, Catherine Martin (Brooke Smith), entführt, sind sie umso mehr auf Lecter angewiesen und bieten ihm einen Deal an. Er dagegen beschließt, vor allem Starling die richtigen Hinweise zu geben, aber nur wenn sie im Gegenzug von sich etwas preisgibt.
Der amerikanische Autor Thomas Harris (*1940) hat bisher vier Bücher geschrieben, die sich mit dem Kannibalen Dr. Hannibal Lecter beschäftigen. Zuerst erschien 1981 das Buch „Roter Drache“, was bisher zweimal verfilmt wurde – einmal 1986 als „Blutmond“ (VHS: Manhunter, OT: Red Dragon) sowie 2002 als „Roter Drache“ (OT: „Red Dragon“) mit Edward Norton in der Hauptrolle. Im Jahr 1988 erschien sein Buch „Das Schweigen der Lämmer“ (OT: „Silence of the Lambs“ (1988)), was als Vorlage für den enorm erfolgreichen Film diente. Danach wurde die Reihe noch mit den Romanen „Hannibal“ (1999) – verfilmt 2001 von Ridley Scott – und „Hannibal Rising“ (2008), ebenfalls verfilmt im Jahr 2007 von Peter Weber, fortgesetzt. Thomas Harris hat für die Figuren Jame Gumb aka Buffalo Bill und Hannibal Lecter den realen Serienmörder Edward Gein (1906-1984) benutzt, der u.a. bei seiner Verhaftung Hosenträger aus der Haut seiner Opfer trug. Bei der filmischen Umsetzung wollte der Autor selbst nicht dabei sein, wünschte aber viel Glück für die Adaption. Das Drehbuch schrieb Ted Tally (*1952), der u.a. auch die Drehbücher zu „Roter Drache“ (2002) und „Operation: 12 Strong“ (2018) schrieb. Dafür gewann er den Oscar für das ‚Beste adaptierte Drehbuch‘. Er bleibt mit seiner Adaption sehr nah am Roman, baut die unterschiedlichen Perspektiven weiter aus und schafft es, die verschiedenen Stufen des Bösen, wie sie auch im Buch vorkommen, gelungen zu übertragen.
Das Buch erregte bei vielen Aufsehen. So wollte u.a. Jodie Foster sich selbst die Rechte für die Verfilmung sichern. Doch der Schauspieler Gene Hackman (*1930) kam ihr zuvor. Ursprünglich wollte er selbst die Rolle von Gumb oder Lecter spielen, schreckte aber davor zurück, als er sich selbst in „Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses“ (1988) bei der 61. Oscarverleihung sah und danach keine gewalttätigen Rollen mehr übernehmen wollte. Der Regisseur Jonathan Demme (1944-2017), der hierfür seine einzigen Oscar für die ‚Beste Regie‘ erhielt und auch Filme wie „Philadelphia“ (1993) drehte, wurde auf den Film aufmerksam, da er schon lange eine Frau ins Zentrum einer Geschichte stellen wollte. Für die Umsetzung bediente er sich diverser Tricks und Effekte. Vor allem die Parallelmontage am Ende hält die Spannung extrem hoch. Er schafft es geschickt, mit den Erwartungen der Zuschauer:innen zu spielen, zwar klassische Elemente einzusetzen, aber trotzdem nicht (immer) die Vermutungen der Zuschauer:innen zu bestätigen. Dadurch entsteht ein stetiges Bedrohungsgefühl, was das Publikum einhüllt. Das liegt auch an dem Genre-MIx. Wir finden hier klassischen Strukturen aus Polizeifilmen und Thrillern, aber gleichzeitig schafft er es auch auf der Horror-Klaviatur zu spielen. So setzte er das Budget von 19 Millionen Dollar wunderbar ein, um eine dichte Atmosphäre zu kreieren. Hinzu kommt ein gelungenes Spiel mit Perspektiven und Blickwinkeln. Nicht nur wechselt die subjektive Kamera, sondern alle Einstellungen aus Starlings Sicht fühlen sich so an, als ob man selbst die junge FBI-Agentin ist. Abschließend muss man das zweifache Gesicht des Bösen erwähnen. Auf der einen Seite haben wir den beinahe animalischen Gumb, der ohne Mitgefühle einfach seinen Gelüsten folgt, auf der anderen Seite befindet Dr. Lecter, wohl gesittet und klug, was einem mehr Schauer über den Rücken jagt, als die nackte Gewalt des Serienmörders.
Einen großen Reiz zieht der Film auch aus dem Zusammenspiel des damals 54-jährigen Anthony Hopkins (*1937), der den eloquenten Dr. Hannibal Lecter spielt, und der jungen Jodi Foster (*1962). Hopkins war bis dato nicht besonders erfolgreich, spielte vor allem am Theater und schwor sich selbst, sich auf die britischen Bühnen zu konzentrieren, wenn es jetzt mit Hollywood-Karriere nicht klappen sollte. Auf ihn aufmerksam wurde Demme durch David Lynchs Film „Der Elefantenmensch“ (1980), in dem er im Gegensatz zu Lecter einen guten Arzt spielt. Hopkins selbst dachte bei dem Titel des Films zuerst an einen Kinderfilm. In vielerlei Hinsicht wirkt Hopkins, der sich vorbereitend in die Recherche über Serienmörder vertieft hatte, für diese Rolle perfekt. Zum einen machte ihn seine britische Art schon zum Fremdkörper zwischen all den Amerikaner:innen, er besaß eine natürlich Kultiviertheit und konnte diese perfekt in Balance zu seiner unheimlichen Ausstrahlung bringen. Diese wurde durch die Inszenierung von Demme noch verstärkt, der u.a. den Schauspieler aufforderte, direkt in die Kamera zu schauen, so dass er allwissend wirkt. Auch die Kleidung – das Kostümdesign stammt von der Designerin Colleen Atwood, die u.a. für „Chicago“ (2002) einen Oscar für ihre Arbeit erhielt, schuf dazu die perfekten Kostüme. So ist die Gefangenenkleidung weiß, was mehr Grusel als die orange Standard-Kleidung erzeugt. Obwohl er insgesamt nur ca. 25 Minuten zu sehen ist (nur David Niven in „Getrennt von Tisch und Bett“ (1958) war kürzer zu sehen und gewann die Trophäe), brachte es ihm seine erste Nominierung und auch den Gewinn als ‚Bester Hauptdarsteller‘ ein. Seinen zweiten Oscar erhielt er auf der 93. Oscarverleihung für „The Father“ (2020). Seit „Das Schweigen der Lämmer“ hat seine Karriere keinen Knick mehr gemacht und man sah den vielseitig einsetzbaren Schauspieler in vielen Filmen, u.a. in „The Father“ (2020)
Sein Gegenpart war die 1962 geborene Jodie Foster, welche sich bereits mit „Taxi Driver“ (1976) einen Namen im Filmbusiness gemacht hatte und 1989 als ‚Beste Hauptdarstellerin‘ für „Angeklagt“ (1988) ausgezeichnet wurde. Ursprünglich wollte Demme die Schauspielerin Michelle Pfeiffer, die aber aufgrund von finanziellen Differenzen absagte. Jodie Foster war bereits vorher sehr interessiert an dem Stoff und bekam nach einem Vorsprechen, für das sich auch der Drehbuchautor Ted Telly stark machte, dann auch die Rolle. Sie erkannte in Starling die erste Heldin, die nicht mit Muskelkraft, sondern mit Intelligenz bewaffnet war. Auch sie stürzte sich für die Rolle in Recherchen u.a. besuchte sie das FBI-Ausbildungszentrum und das gerichtsmedizinische Institut, sprach mit FBI-Agenten über ihre Arbeit und führte sich auch Autopsie-Berichte u.ä. zu Gemüte. Sie spielt ihre Rolle fantastisch. Nicht nur, dass Demme auf visueller Ebene oft mit dem Gegensatz zu den sie umgebenden Männern arbeitet, auch sie selbst macht mit ihrem Spiel deutlich, dass sie an mehreren Fronten zu kämpfen hat. Wunderbar sind die Szenen mit Lecter, wo er über jede kleine Mimik-Veränderung ihren seelischen Zustand auslotet. Auch das Werbefoto mit einem Lamm auf dem Arm rezitiert nicht von ungefähr das ikonographische Bild der Mutter Gottes, führt aber einen neuen Typus Frau in dieses Gerne ein und das auch aufgrund der darstellerischen Leistung der damals 29-Jährigen, deren Karriere danach ebenfalls ungebrochen weiter ging.
Der Film feierte seine Premiere auf der 41. Berlinale 1991. Mit einem Budget von rund 19 Millionen Dollar umgesetzt, konnte er weltweit rund 273 Millionen US-Dollar einspielen. Bereits in der ersten Veröffentlichungswoche hat er seine Kosten rein. Auch wurde er auf diversen Festivals nominiert und ausgezeichnet u.a. konnte Foster den Golden Globe gewinnen und Jonathan Demme den Silbernen Bären für die ‚Beste Regie‘ auf der Berlinale. Neben den Auszeichnungen hat sich der Film auch ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt. So gab es nicht nur die offiziellen nachfolgenden Filme „Hannibal“ (2001), „Roter Drache“ (2002) und „Hannibal Rising” (2007), sondern auch viele Anspielungen im komödiantischen Bereich u.a. natürlich das „Das Schweigen der Hammel“ (1994), aber auch in „Loaded Weapon 1“ (1993) sowie in „Cable Guy – Die Nervensäge“ (1996). Noch heute funktioniert der bereits 1991 realisierte Spielfilm hervorragend und bietet gelungene Unterhaltung sowie großartiges Schauspieler:innen-Kino, was zudem ikonographische Szenen hinterlassen hat.
Fazit: „Das Schweigen der Lämmer“ ist einer der erfolgreichsten Filme des bereits verstorbenen Regisseurs Jonathan Demme. Er schaffte es, auf der 64. Oscarverleihung die Big Five zu gewinnen, und besticht mit einer gelungenen Romanadaption von Thomas Harris. Dabei bleibt er der Vorlage treu, schuf einen spannenden Thriller mit Krimi- wie Horror-Elementen gleichermaßen. Hervorragend besetzt und mit Spannung inszeniert überzeugt er als ungewöhnlicher Oscar-Gewinner.
Bewertung: 7,5/10
Trailer zum Film „Das Schweigen der Lämmer“:
geschrieben von Doreen Matthei
Quellen:
- Wikipedia-Artikel über die Oscarverleihung 1992
- Wikipedia-Artikel über den Film „Das Schweigen der Lämmer “
- Wikipedia-Artikel über den Regisseur Jonathan Demme
- IMDb-Trivia zum Film „Das Schweigen der Lämmer“
- Wikipedia-Artikel über den Schauspieler Anthony Hopkins
- Wikipedia-Artikel über die Schauspielerin Jodie Foster
- Kubiak, Hans-Jürgen: Die Oscarfilme, Schüren-Verlag GmbH, Marburg, 2007.
- Krusche, Dieter: Reclams Filmführer, Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2003.
- Schneider, Steven Jay: 1001 Filme die sie sehen sollten bevor das Leben vorbei ist, 2013, Edition Olms AG, Oetwil am See/Zürich, Schweiz
- Koebner, Thomas: Filmklassiker, Band 4, 1982-1996, Philipp Reclam junior, Stuttgart, 1998.
- Müller, Jürgen: Filme der 90er Jahre, Taschen, Köln, 2005.
- Heinzlmeier, Adolf: Jodie Foster, Zsolnay Verlag, Wien, 1993
- Foster, Buddy und Wagener, Leon: Jodie Foster: eine Biographie, Econ-und-List-Taschenbuch-Verlag, München, 1997
- Fischer, Robert: Jodie Foster : Hollywoods Wunderkind, Heyne Verlag, München, 1993