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Festivalbericht: Die Berlinale, das größte Filmfestival Deutschlands, öffnete vom 20. Februar bis zum 1. März 2020 wieder ihre Pforten, präsentierte in vielen Reihen ihr vielfältiges Programm und feierte so ihr 70. Jubiläum. Eine feste Größe auf der Berlinale ist das ‚Berlinale Shorts‘-Programm, das seit über 12 Jahren ausgewählte Kurzfilm präsentiert und in jedem Jahr ausverkauft ist.
In diesem Jahr übernahm Anna Henckel-Donnersmarck die Leitung der ‚Berlinale Shorts‘. Die studierte Künstlerin und Filmemacherin wählte für die Auswahl des Programms einen künstlerischen Ansatz. Sie begreift den Kurzfilm als Medium, das sich Freiheiten auf allen Ebenen erlauben darf und sich auch nehmen soll. Sie sieht den Kurzfilm als Analogie zu einem Gedicht und nicht einer Kurzgeschichte. Dieser Ausgangspunkt bestimmt die Auswahl der 24 Filme aus 18 Ländern, die in fünf Veranstaltungen aufgeteilt, zu sehen waren. Als Kuratorin stellte sie ein Programm zusammen mit Kurzfilmen, die animiert, fiktional oder dokumentarisch sind. Dabei verschwimmen oft die Grenzen, so dass Hybridformen entstehen, die einen in den Bann ziehen. Keiner der ausgewählten Filme lässt sich in ein enges Korsett stecken, denn sie nehmen sich entweder erzählerische, inszenatorische oder gestalterische Freiheiten. Zudem wurde auf reines Unterhaltungskino verzichtet. Neben künstlerisch wertvollen Beiträgen, fielen vor allem Filme auf, die unter die Haut gehen und gesellschaftliche Missstände anprangern oder auch nur das menschliche Wesen einfangen. „Stump the Guesser“ von Guy Maddin, Evan und Galen Johnson fiel als einziger humoristischer Beitrag auf, der auf fast surreale Weise mit dem vergangenen Medium des Stummfilms spielt.


Produzentin Monica Sorelle und Regisseurin Keisha Rae Witherspoon vom Kurzfilm „T“ © Alexander Janetzko / Berlinale 2020
Unter den 23 Wettbewerbsbeiträgen wurden vier Preise durch die Internationale Kurzfilmjury, bestehend aus der Regisseurin Réka Bucsi („Love“, „Symphony No.42“), Kuratorin Fatma Çolakoğlu sowie dem Filmemacher Lemohang Jeremiah Mosese, vergeben. Den Goldenen Bären für den ‚Besten Kurzfilm‘ erhielt die Regisseurin Keisha Rae Witherspoon für ihren Kurzfilm „T“, der sich auf dokumentarische Weise mit einer Gruppe von Menschen beschäftigt, die auf andere Art um ihre verlorene Angehörigen trauert, indem sie eine große Zeremonie voller Kreativität und Tanz veranstalten. Um Verlust geht es auch in dem Dokumentarfilm „Playback“ (OT: „Ensayo de una despedida“) von Agustina Comedi. Er gewann den Teddy-Award für den ‚Besten Kurzfilm‘ im queeren Cinema, der sich LGBTQ*-Themen widmet und sektionsübergreifend vergeben wird. In dieser bewegenden Dokumentation erzählt La Delphi, die einzige Überlebende einer Gruppe von Transgender-Frauen aus den 80er Jahren in Argentinien, von der Zeit des Aufbruchs. Es ist gleichzeitig ein Abschiedsbrief an die an AIDS gestorbenen Frauen und präsentiert sich in verrauschten VHS-Aufnahmen. Der israelische Kurzfilm „Listening In“ (OT: „HaMa’azin“) handelt auch von einer LGBTQ-Identität, die aufgrund des politischen Systems unterdrückt wird. Die Geschichte von Omer Sterenberg geht mit ihrer langsamen Spannungssteigerung und der guten Darstellung direkt unter die Haut.


Regisseur Rafael Manuel und Co-Produzentin Naomi Pacifique vom Kurzfilm „Filipiñana“ © Alexander Janetzko / Berlinale 2020
Den Silbernen Bären erhielt der philippinisch-englische Kurzfilm „Filipiñana“. Der Regisseur Rafael Manuel erzählt in schönen, sanften Bildern eine Coming-of-Age-Geschichte eines Mädchens, das sich in ihrer Arbeit auf einem Golfplatz in eine strenge Hierarchie einordnen muss, aus der es aber stets auszubrechen versucht. Frauen stehen auch im Fokus des australischen Kurzfilms „Girl and Body“ von Charlotte Mars. Der Film beschäftigt sich auf ruhige, realistische Weise mit der eigenen Wahrnehmung und dreht sich auch hier um die Frage nach der Identität. Der Animationsfilm „Genius Loci“ von Adrien Mérigeau, der den mit 20.000 € dotierten AUDI Short Film Award gewann, beschäftigt sich ebenfalls mit der weiblichen Identität. Das Künstlerische im Kopf der Hauptperson, die sich auf der Suche nach etwas befindet, drückt sich in den Animationen selbst aus und zieht den Zuschauer in eine Art Strudel. Das schafft auch das wütende Pamphlet „Cause of Death“, das sich mit Archivmaterial und Spoken Words Poetry mit dem Thema Femizide beschäftigt. Auch der Berlin Short Film Kandidat für den ‚European Film Award‘ stellt eine Frau in den Vordergrund und erzählt in „It Wasn’t the Right Mountain, Mohammad“ von Mili Pecherer eine biblische Geschichte aus anderer Sicht.
Weiterhin war das Programm geprägt von ernsten, sozialen und gesellschaftskritischen Stoffen. So beschäftigt sich der Film „So We Live“ mit einem Leben im Krieg und wie der Alltag trotzdem weitergehen muss. Es zeigt in „Union County“ wie schwer es ist, wieder in die Normalität zurückzukehren und in „Huntsville Station“ fängt es die ersten Stunden von in Freiheit entlassenen Häftlingen dokumentarisch ein. Im Vordergrund steht, wie der Mensch lebt und damit auch auf sich und seine Umwelt einwirkt. Dafür finden viele Filme eine eigene Filmsprache. So sehen wir neben klassischen 2D, auch ungewöhnliche 3D-Filme. Da stach vor allem der Film „How to Disappear“ hervor. Die Regisseure Leonhard Müllner, Robin Klengel und Michael Stumpf versuchen im Computerspiel „Battlefield“ als Deserteure dem Kriegsgeschehen zu entkommen, was das Spiel eigentlich nicht erlaubt. Wie kann man also aus diesem Szenario verschwinden? Im Gesamten präsentierte die ‚Berlinale Shorts‘, obwohl nur 24 Filme zu sehen waren, einen wunderbaren Schnitt durch die Länder und Gesellschaften. Dabei beschäftigen sich die Themen viel mit der eigenen Identität, Wahrnehmung und anderen sozial relevanten Interaktionen. Dafür finden die 24 FilmemacherInnen ihre eigene Filmsprache, die sich absichtlich abseits der gängigen Sehgewohnheiten bewegt und zum Nachdenken und Dialog anregt.
Fazit: Das Programm der diesjährigen ‚Berlinale Shorts‘, einem Sektor der Berlinale, umfasste 24 Kurzfilme aus 18 Ländern. Unter der Leitung von Anna Henckel-Donnersmarck entstand ein Programm, das sowohl mit Filmen unterschiedlicher Gestaltungsweise als auch narrativer Weise aufwarten konnte und so einen weiten Bogen über den Kurzfilmsektor spannte. Doch gleichzeitig bilden die Filme eine Einheit, besitzen sie doch alle einen künstlerischen Ansatz und handeln von gesellschaftsrelevanten, wichtigen Themen. So überzeugt das Programm durch eine ausgewogene, kreative Zusammenstellung, die Freude am immer wieder Neuentdecken des Mediums Films macht, wunderbar die Grenze zur Kunst verwischt und zeigt, wie vielfältig und faszinierend Kurzfilm sein kann.
geschrieben von Doreen Matthei
Quellen:
- Berlinale Shorts 2020 – Katalog
- Website der Berlinale
Liste aller Filme, die die Testkammer rezensiert hat:
- „Cause of Death“ (2020)
- „Filipiñana“ (2020)
- „Genius Loci“ (2019)
- „Girl and Body“ (2019)
- „How to Disappear“ (2020)
- „Huntsville Station“ (2020)
- „Listening In“ (2019)
- „Playback“ (2019)
- „So We Live“ (2020)
- „Stump the Guesser“ (2020)
- „T“ (2019)
- „Union County“ (2020)
Interviews mit Filmemachern von Filmen auf dem Festival: