38. Internationales Kurzfilmfestival Berlin 2022

Doreen Kaltenecker
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15.-20. November 2022 / Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Colosseum, Pfefferberg Theater, Pfefferberg Haus 13, ACUDkino, Zeiss Großplanetarium, Rollberg Kino, Unterfilm Clubkino

Festivalbericht: Immer im Herbst findet in Berlin eines der bekanntesten Kurzfilmfestival Deutschlands, das Internationale Kurzfilmfestival Berlin (interfilm), statt. In diesem Jahr hatte man an fünf Tagen in acht Spielstätten die Möglichkeit mehr als 350 Kurzfilme aus den Bereichen Spiel- und Dokumentarfilm aus über 27 Ländern anzusehen. Geleitet von Heinz Hermanns entstand ein spannendes, vielfältiges Programm, das nicht nur mit seinen Wettbewerben, sondern auch mit vielen Sonderreihen begeistert. Zudem findet immer gleichzeitig das Kinder- und Jugendfestival Kuki, die kleine Schwester des interfilms statt, was ebenfalls eine große Bandbreite an Kurzfilmen für alle Altersklassen bot und denen 15 Preise im Wert von über 35.000 € verliehen wurden. 

Internationaler Wettbewerb

Auch auf dem interfilm ist der ‚Internationale Wettbewerb‘ das Herzstück des Festivals. Hier fanden sich 53 Kurzfilme weltweit zusammen und es wurden insgesamt fünf Preise vergeben. Der Berlin-Brandenburg Short Award – Best Film ging an den libanesischen Film „Warsha“, der die Geschichte einer kleinen Befreiung von den Normen an einem ungewöhnlichen Ort erzählt. Auch viele weitere Beiträge handelten davon, sich selbst zu finden oder sich aus einer Situation zu befreien. Auch der Gewinner des Best Live Action-Preises – „Too Rough“ von Sean Lionadh – erzählt die Geschichte einer Loslösung. Es ist eine LGBTQ+-Coming-of-Age-Geschichte, die noch weit mehr Themen behandelt und das in der Kürze der Zeit. Der ebenfalls schottische Film „Groom“ wurde mit dem Best Cinematography Preis ausgezeichnet und erzählt von Schönheitsidealen und dem Erwachsenwerden. In dem Spielfilm „Splits Ends“ von Alireza Kazemipour aus Iran geht es um Haare und deren Verbot, diese in der Öffentlichkeit zu zeigen und ist so aktueller denn je. Über Frauen in der Gesellschaft und auch in Bezug auf Männer waren viele Geschichten im Programm vertreten. So u.a. der schweizer Film „Über Wasser“ von Jela Hasler, der eine starke, junge Frau an ihre Grenzen bringt, der französisch-amerikanische Film „Rachels Don’t Run“, der sich auf überraschende Weise mit Frauenbildern beschäftigt. Der Film „Burden of Proof“ handelt von häuslichem Missbrauch, verwendet dafür eine ungewöhnliche Erzählweise und wurde mit dem Preis Best Sound Design ausgezeichnet.

Auch der Animationsfilmsektor war auf dem interfilm hervorragend vertreten, sei es durch den Festivaltrailer von Alexander Glatzer („Apfelmus“) selbst oder von zahlreichen weiteren Beiträgen. So stieß man auf bereits auf anderen Festivals gesehene Filme wie „Histoire pour 2 trompettes“ (Amandine Meyer), „Regular“ (Nata Metlukh) und „Zoon“ von Jonatan Schwenk. Aber auch viele Neuentdeckungen zeigen das Spektrum dieses vielfältigen Mediums. Sei es der Knetfilm „Other Half“, der mit viel Fantasie und berührenden Metaphern von der schwierigen Suche nach Liebe erzählt oder die 2D-Zeichnungen im Film „I’ll be your Kettle“, der zeigt, was man alles in einer Beziehung in Kauf nimmt. Die Stop-Motion-Technik, eine der aufwändigsten Verfahren, wurde in den Filmen „Bear Hug“ und „Don’t Feed the Pigeon“ großartig eingesetzt. Als Best Animation wurde der Kurzfilm „Little Smasher“ von Gilles Cuvelier ausgezeichnet, der auf poetische Weise von einer Familie erzählt, die von den Problemen ihres jüngsten Kindes getrieben wird. 

Deutscher Wettbewerb

Auch der deutsche Film war mit 19 Kurzfilmen wunderbar vertreten. Die zwei Preise des Deutschen Wettbewerbs gewannen zwei Filme, die bereits bei der Eröffnung großen Anklang gefunden hatten. Den ersten Preis erhielt der starke „Hundefreund“ von Maissa Lihedheb, in dem sich ein Stelldichein immer mehr in etwas Politisches verkehrt. Der zweite Preis ging an die Mockumentary „The Art of Authenticity“ von Carlo Oppermann, die zeigt, wie viel Einsatz dahinter steckt, damit Berlin so ist, wie es ist. Den Publikumspreis und den Publikumspreis für den schrägsten und wunderbarsten Film erhielt der knackig kurze „Sven nicht jetzt, wann dann…?“, der von Ängsten und deren Überwindung erzählt. Auch ein Animationsfilm konnte den FBW- Sonderpreis zur Förderung des besonderen Kurzfilms gewinnen. „RIM“ von Hagar Faibish erzählt von einer fantasievollen Welt, in der das Publikum selbst freudig drauf los interpretieren darf. Neben einigen Filmen, die man wieder entdecken konnte wie „Glückspfad“, „Warum begeht Helen Koch schweren Kraftwagendiebstahl“ und „Nicht die 80er“, stachen vor allem zwei Animationsfilme aus dem Programm heraus. Zum einen die animierte Doku „Kirschknochen“ von Evgenia Gostrer, in der sie, in Wachs gezeichnet, die Geschichte ihrer Familie erzählt, und der in Stop-Motion umgesetzte Film „Louis I. King of the Sheep“ von Markus Wulf, der in gelungenen Bildern erzählt, wie Macht alles verändern kann.

Dokumentarfilm & Umweltfilm Wettbewerb

Auch der Dokumentarfilm hat seit einigen Jahren einen festen Platz auf dem interfilm. Hier gewann der britisch-russische Kurzfilm „Haulout“ von Evgenoa Arbugaeva und Maxim Arbugaev den Preis. Neben diesem Film gab es noch weitere acht Kurzfilme zu entdecken, darunter auch der starke „Handbuch“ von Pavel Mozhar, der bereits auf dem 34. Filmfest Dresden 2022 den Goldenen Reiter Bester Kurzspielfilm im Nationalen Wettbewerb sowie den „voll politisch“ – Kurzfilmpreis der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung gewinnen konnte. Auch hatte man nochmal die Möglichkeit, Susann Maria Hempels „Die Hüter des Unrats. Eine kurze Geschichte des Abfalls“ noch einmal entdecken, der sich mit dem menschlichen Umgang mit Müll beschäftigt. Im Programm des Umweltfilms gab es sieben starke Beiträge u.a. den schweizer Film „So weit so gut“, der auf fragmentierte und verklausulierte Weise von der Klimakrise erzählt. Gewonnen hat in dem Wettbewerb der Film „Rare“ von Léo Deschênes, der von einem Fleischer handelt, der sich mit der Zukunft seines Gewerbes konfrontiert sieht. 

weitere Programme und Reihen

Ganze zwölf weitere Programme rundeten das interfilm ab. Dabei hatte man als Zuschauer:in die Qual die Wahl, ob man sich nun den European Short Film Audience Award mit Filmen wie „Nanu Tudor“, „We have one heart“ oder „Bambirak“ anschauen wollte, oder sich auf die Philippinen mit dem 18 Filme (u.a. „Manila is Full of Men named Boy“) umfassenden Fokus begeben wollte. Auch gab es Sonderreihen zu Europa, LGBTQ-Themen sowie für Teenager. Abgerundet wurde das Festival von zahlreichen Zusatzveranstaltungen u.a. auch mit einer Script-Pitch-Competition bei der Hilke Rönnfeldt („Silence of the Fish“) für ihr Skript „Deep Sea Blue“ den Preis für Best Script Pitch erhalten hat.

Fazit: Voll gepackt mit vielen großartigen Filmen aus allen Genren und in allen Spielarten bot das 38. Internationales Kurzfilmfestival Berlin 2022 jedem Fan des kurzen Film eine Woche voller Entdeckungen, Überraschungen und konnte mit Beiträgen rund um den Globus den Horizont erweitern.

Trailer des 38. Internationalen Kurzfilmfestivals Berlin 2022:

 

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Liste der Filme: 

  • A Story for 2 trumpets“ (OT: „Histoire pour 2 trompettes“, Frankreich, 2022, Regie: Amandine Meyer)
  • Bambirak“ (Deutschland/USA, 2020, Regie: Zamarin Wahdat)
  • „Bear Hug“ (Norwegen/Frankreich, 2021, Regie: Margarethe Danielsen)
  • „Burden of proof“ (OT: „Bevisbyrden“, Norwegen, 2021, Regie: Ivar Aase)
  • Die Hüter des Unrats. Eine kurze Geschichte des Abfalls“ (Deutschland, 2022, Regie: Susann Maria Hempel)
  • „Do Not Feed The Pigeons“ (UK, 2021, Regie: Antonin Niclass)
  • Glückspfad“ (Deutschland, 2021, Regie: Pauline Cremer, Jakob Werner und Thea Sparmeier)
  • „Groom“ (Schottland, 2022, Regie: Leyla Coll-O’Reilly)
  • Handbuch“ (Deutschland/Weißrussland, 2021, Regie: Pavel Mozhar)
  • Haulout“ (UK/Russland, 2022, Regie: Evgenia Arbugaeva, Maxim Arbugaev und Maxim Chakilev)
  • „Hundefreund“ (ET: „DogFriend“, Deutschland, 2022, Regie: Maissa Lihedheb)
  • „I’ll Be Your Kettle“ (Dänemark/Kanada, 2021, Regie: Tobias Rud)
  • „Intro“ (Deutschland, 2022, Regie: Anne Isensee)
  • „Kirschknochen“ (OT: „Cherry Bone“, Deutschland, 2021, Regie: Evgenia Gostrer)
  • „Little smasher“ (OT: „Petit cogneur“, Frankreich, 2022, Regie: Gilles Cuvelier)
  • „Louis I. King of the Sheep“ (OT: „Louis 1er Roi des Moutons“, Deutschland/USA, 2022, Regie: Markus Wulf)
  • Manila is Full of Men named Boy“ (Philippinen/USA, 20212, Regie: Andrew Lee)
  • Nanu Tudor“ (Belgien, 2021, Regie: Olga Lucovnicova)
  • Nicht die 80er“ (Deutschland, 2022, Regie: Marleen Valien)
  • „Other Half“ (UK, 2021, Regie: Lina Kalcheva)
  • „Rachels Don’t Run“ (Frankreich/USA, 2021, Regie: Joanny Causse)
  • „Rare“ (OT: „Carné e s“, Frankreich, 2021, Regie: Léo Deschênes)
  • Regular“ (Ukraine/USA, 2022, Regie: Nata Metlukh)
  • „RIM“ (Deutschland, 2022, Regie: Hagar Faibish)
  • „So weit so gut“ (Schweiz, 2021, Regie: Leon Schwitter)
  • „Split Ends“ (Iran, 2021, Regie: Alireza Kazemipour)
  • Sven nicht jetzt, wann dann…?“ (OT: „If not now, then when…?“, Deutschland, 2021, Regie: Jens Rosemann)
  • „The Art of Authenticity“ (Deutschland, 2022, Regie: Carlo Oppermann)
  • „Too Rough“ (Schottland, 2022, Regie: Sean Lionadh)
  • „Warsha“ (Libanon, 2021, Regie: Dania Bdeir)
  • Warum begeht Helen Koch schweren Kraftwagendiebstahl?“ (Deutschland, 2022, Regie: Moritz Geiser)
  • We have one heart“ (Polen, 2020, Regie: Katarzyna Warzecha)
  • „Zoon“ (Deutschland, 2022, Regie: Jonatan Schwenk)
  • „Über Wasser“ (Schweiz, 2021, Regie: Jela Hasler)

Quellen:

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