Rainald Goetz: Johann Holtrop

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Rainald Goetz @Suhrkamp Verlag

Buchkritik: Es tut mir leid, ich war zu langsam. Ich wollte einen Roman des aktuellen Büchnerpreisträgers vorstellen, und zack! bekommt der Nächste den Preis. Marcel Beyer ist es diesmal. Und trotzdem, jetzt geht es um Rainald Goetz und seinen Johann Holtrop. Und deshalb: Volker Braun.

Ja, ich bin schon wieder bei einem anderen Autor. Volker Braun schrieb den Hinze-Kunze-Roman, ein Ding, das trotz schärfster DDR-Kritik die Zensur passierte. Es zeigt die Gesellschaft, die verrohten Mächtigen und die recht gleichgültigen Untergebenen. Dafür nutzt es einen Stil, der erst einmal abschreckend verschwurbelt, verschachtelt und verwirrend ist. Die ersten zehn Seiten verstand ich wenig und überlegte viel, ob ich wirklich weiterlese. Ein Glück, dass ich es tat! Beim Johann Holtrop ist der Leser etwas schneller drin, doch Stil und Thematik sind seelenverwandt mit dem Hinze-Kunze-Roman. Nur: Der Holtrop, Jahrgang 2012, packt die neuesten, brennendsten Themen an. Da geht es um einen erfolgsgeilen Manager, der zockt, was das Zeug hält. Die Firma geht pleite? Tja, schade, aber ich habe meine Leistung erbracht und bekomme dafür bitteschön noch die zehn Millionen Euro. Also, ein Bitteschön kommt dem Manager natürlich nicht über die Lippen.

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“Ma Ma – Der Ursprung der Liebe” (2015)

© Entertainment One

© Entertainment One

Filmkritik: Der spanische Regisseur und Drehbuchautor Julio Medem (*1958) besitzt unter Kennern durch seine Filme wie “Die Liebenden des Polarkreises” (1998) und “Lucía und der Sex” (2001) einen gewissen, stilistischen Ruf. Sein neuester Film “Ma Ma – Der Ursprung der Liebe” (Originaltitel: “Ma ma”, Spanien/ Frankreich, 2015) kann sich da einordnen und bietet eine seltsame teils faszinierende Mischung aus realitätsnahem Drama und Übersteigerung.

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“Rico, Oskar und die Tieferschatten” von Andreas Steinhöfel (2008)

© Carlsen Verlag

© Carlsen Verlag

Buchkritik: Der deutsche Schriftsteller Andreas Steinhöfel (*1962) schreibt seit 1991 Kinder- und Jugendbücher. Doch keines scheint Kindern so aus den Herzen zu sprechen, wie die Figur des Rico in “Rico, Oskar und die Tieferschatten”.

Frederico “Rico” Doretti, ein tiefbegabter (da behindert einfach falsch klingt) Junge, liebt Kriminalgeschichten. Zwar geht in seinem Kopf manch eine Information mal verloren, aber er versucht stets den Dingen auf den Grund zu gehen. Als er auf den hochbegabten Oskar trifft, glaubt er endlich einen Freund gefunden zu haben und will sich ihm anvertrauen. Rico wird seit Monaten von den Tieferschatten im unbewohnten Hinterhaus verängstigt und möchte das Geheimnis dahinter lüften. Doch gerade als er es Oskar erzählen will, wird dieser von Mister 2000 entführt. Also macht sich Rico allein auf die Suche nach seinem Freund.

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Schaubudensommer 2016 in der Scheune (Dresden)

07.-17.07.2016

Ab 19 Uhr Einlass (ab 20 Uhr 2,50€ Eintritt aufs Gelände, Karten für die Vorstellungen (ca. 30 Minuten): 5€, 3er-Ticket: 12€)

© Doreen Matthei

© Doreen Matthei

Festivalbericht: In diesem Jahr findet zum 19. Mal der Schaubudensommer in der Dresdner Scheune statt. Das Kleinkunstfestival bietet wie jedes Jahr ein bunte Mischung aus Tanz, Musik, Comedy und Schauspiel (insgesamt 450 Shows von ca. 40 Künstlern an 11 Abenden). Zudem besitzt es eine einzigartige, entrückte Atmosphäre, in der man wunderbar einfach entspannt unter dem Gardinenhimmel Zeit verbringen kann und dem lustigen Treiben zusehen kann. Auf dem liebevoll gestalteten Gelände mit dem handbetriebenen Karussell im Zentrum tummeln sich allerlei Individualisten der Neustadt. Dabei wurde eine romantisierte Jahrmarktsidylle eingefangen. Die ist überall und stets gewollt. Vor allem an der Auswahl der Essenstände erkennt man dann doch besonders gut den Geist der Hipster-Kultur. Der Schaubudensommer ist seit vielen Jahren eng mit dem Lebensgefühl der Neustädter verbunden und dadurch auch immer gut besucht. Wie man sich über das Festival bewegt, ist jedem selbst überlassen. Ob man nun sich das Programmheft besorgt und gezielt Veranstaltungen anvisiert oder ob man sich einfach treiben lässt, so wird man mit Sicherheit Neues entdecken. Dabei stößt der Kenner vermutlich immer wieder auf bekannte Namen wie Anna Mateur und The Fuck Hornisschen Orchestra. Schön ist auch die internationale Mischung unter den Künstlern. Im Gesamten bietet der diesjährige Schaubudensommer wieder vergnügliche Abende, an dem das Schwerste vermutlich ist, eine Entscheidung für das eine oder andere Programm zu fällen.

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Cooler Pool

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Hört der seinem Buch zu? Bildnis des Tristram Shandy-Autors Laurence Sterne, gemalt von Joshua Reynolds (1760)

Tipp: Der Bayrische Rundfunk, das ist ein Sender für Silberpudel, wo die Leute unverständlich reden. Dachte ich. Jetzt stellt sich heraus, dass der Rentnersender was total Geniales hat: Einen online-Hörspielpool. Kreisch! Da gibt’s sogar den „Tristram Shandy“, zwar nicht in der Lesung von Harry Rowohlt, aber das wäre auch ein bisschen viel verlangt. Virginia Woolf findet sich, daneben der Buchpreisgewinner mit dem manisch-depressiven ellenlangen Titel mit RAF drin. Ich gebe zu, darunter mischen sich komische Sachen, von denen ich noch nie was gehört habe und Dinge, die ich entgeistert anglotze. Adornos Traumdeutungen, nee tut mir leid, tu ich mir nicht an.

 

Wunderbar ist, dass hier viele dicke Wälzer zu mehreren Hör-Häppchen verarbeitet wurden. Neben dem Tristram Shandy, einer alten, irrsinnig witzigen Autobiografie-Parodie, enthält der Pool Aufbereitungen von Peter Weiss` kiloschwerem Wälzer „Die Ästhetik des Widerstands“ oder Bulgakovs „Meister und Margarita“. Ansprechende Optik oder übersichtliche Gliederung, auf solches Beiwerk verzichtet der Pool. Am Anfang steht die Empfehlung, die Suchfunktion zu nutzen – dumm nur, wenn man noch nicht weiß, was es gibt.

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“Nur wir drei gemeinsam” (2015)

© NFP marketing & distribution*

© NFP marketing & distribution*

Filmkritik: Der Stand-Up-Comedian Kheiron (bürgerlicher Name: Nouchi Tabib) erzählt in seinem Spielfilmdebüt “Nur wir drei gemeinsam” (Originaltitel: “Nous trois ou rien”, Frankreich, 2015) die Geschichte seiner Eltern und schafft es dabei erfrischend leicht, den richtigen Ton zu treffen.

Hibat (Kheiron) und seine Frau Fereshteh (Leïla Bekhti) kämpfen Anfang der 70er-Jahre in Teheran (Iran) erst gegen das Schah-Regime und kurz darauf gegen den Ayatollah Khomeini. Irgendwann bleibt ihnen nur noch die Flucht. Diese abenteuerliche und gefährliche Reise mit ihrem einjährigen Sohn Nouchi bringt das Ehepaar schlussendlich in die Pariser Banlieues, wo sie erkennen, dass hier zwar auch noch nicht jeder Kampf ausgefochten ist, aber dass Frankreich ein neues Zuhause für sie sein könnte.

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Lustige Spam-Kommentare

Zu den schönsten Sachen am Bloggen gehören die Kommentare. Bloß dann nicht, wenn die schon anfangen mit „It’s time to be happy.“ Bitte was? Was hat denn das mit dem Theaterstück „Der Idiot“ zu tun? Richtig lustig wird es, wenn dann dasteht: „Perhaps you could write subsequent articles regarding this article.“ Was denn, Folgeartikel schreiben? Nein, was für ein großartiger Gedanke! Auf die Idee wäre ich ja nie gekommen. – Wäre ich aber tatsächlich nicht bei einem Aufführungsbericht.

Kurz und gut, wenn sich Plattitüden mit Unsinnigkeiten mischen, dann ist es extrem schlecht gemachte Werbung. Gegen gute hätte ich nicht einmal was. Also, liebe Werbe-Spammer, habt ein bisschen mehr Berufsehre und schreibt etwas, das man zumindest halbwegs ernst nehmen kann. So landet ihr einfach im Papierkorb – oder werdet noch in einem Beitrag verwurstet.

Und zwar von Katrin Mai

Böcklin-Wetter

Boecklin

Arnold Böcklin: Frühlingsreigen, 1881

Lasst uns mal übers Wetter reden. Ist es nicht gerade postkartenmäßig? Der Himmel blitzeblau, die Natur saftig grün. „Böcklin“ denke ich, bevor ich es richtig merke. Bestätigung erfolgt nach bewusstem Nachdenken: Arnold Böcklin malte den „Frühlingsreigen“. Ein Bild in Grün und Blau, und obwohl es seine hundert Jahre auf dem Buckel hat, ist dieser Tag genau das. So muss Kunst sein.

Übrigens: Bekannt ist Böcklin eigentlich für Morbides. Sein Verkaufsschlager heißt “Die Toteninsel”, von der er fünf Versionen an den Mann brachte.

Geschrieben von Katrin Mai