„Joy“ (2017)

Kurzfilm / Deutschland / Fiktion / 2017

Filmkritik: Im Nationalen Wettbewerb des 30. Filmfest Dresden 2018 gewann der Kurzfilm „Joy“ von Abini Gold den Goldenen Reiter für den ‚Besten Spielfilm‘. Er konnte mit seiner drastischen und gut inszenierten Coming-of-Age-Geschichte die dreiköpfige Jury und auch das Publikum überzeugen.

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Sechs Fragen an Baptiste Martin-Bonnaire

© Baptiste Martin-Bonnaire

Interview: Der französische Regisseur Baptiste Martin-Bonnaire erzählt uns mehr über seinen Kurzfilm “Veuillez ne pas tenter d’ouvrir les portes” (ET: “See the shadows straighten”), den die Testkammer auf dem 30. Filmfest Dresden sichten konnte, wie er die Idee und sein visuelles und auditives Konzept dafür entwickelte.

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“Hereditary – Das Vermächtnis” (2018)

Filmkritik: Oft konnte schon ein Langfilmdebüt eines neuen Regisseurs für Furore sorgen. In diesem Kinosommer hatte der Horrorsektor noch nicht so viel Besonderes zu bieten. Filme wie “Wahrheit oder Pflicht” (2018) und “The Strangers: Opfernacht” (2018) ermüdeten die Zuschauer. Kein Wunder also, dass “Hereditary – Das Vermächtnis” (OT: “Hereditary”, USA, 2018), Ari Asters Debüt, gleich als bester Horrorfilm des Jahres gehyped wurde. Dieser ordnet geschickt verschiedene Elemente des Genres neu zusammen, doch ob er sich wirklich diesen Titel verdient hat, bleibt fragwürdig. Weiterlesen

“Am Strand” (2017)

Filmkritik: Es erscheint wie eine Ehrung zu Ian McEwans 70. Geburtstag. Aber vermutlich erschienen eher zufällig 2018 gleich zwei Spielfilme nach Romanen des Autors, bei denen er auch die Drehbuchausgestaltung in die Hand nahm. Neben dem Justizdrama “Kindeswohl” (2018) erschien unter der Regie von Dominic Cooke das Liebesdrama “Am Strand” (OT: “On Chesil Beach”, UK, 2017). Weiterlesen

“In den Gängen” (2018)

Filmkritik: Einer der schönsten Beiträge der 68. Berlinale 2018 und man möchte sagen wider Erwarten war der deutsche Film “In den Gängen” (Deutschland, 2018) von Thomas Stuber. Nur Freunde des deutschen Autors Clemens Meyer, nach dessen Kurzgeschichte der Film entstanden ist, hatten eine Vorahnung, wie hier Poesie und Alltag in einem nächtlichen Großmarkt zusammentreffen. Weiterlesen

Fünf Fragen an Bastien Alexandre

Interview: Der kanadische Filmemacher Bastien Alexandre fiel auf dem 19. Landshuter Kurzfilmfestival 2018 in der Genre-Reihe “Sprungbrett” mit seinem Film “How Tommy Lemenchick Became a Grade 7 Legend” auf. Die Testkammer hatte nun die Möglichkeit sich ein wenig mit dem Regisseur zu unterhalten:

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Wie kam es zur Realisierung Deines ersten Kurzfilms und woher stammte die Idee dafür?

Nicolas Billon, der Drehbuchautor, ist ein langjähriger Freund. Er bot mir das Drehbuch an und sagte, dass es mein erster Film werden solle. Ich habe immer davon geträumt Filme zu machen, schon seit meiner Kindheit, aber mein Weg führte mich eher zur Bühnenregie, was ich auch mehrere Jahre für den ‘Cirque du Soleil’ gemacht habe.

Ich liebte das Drehbuch sofort und sagte ihm, dass ich den Film bereits im Kopf vor mir sah. Es war dann ein sehr geradliniger Prozess die Bilder in meinem Kopf in ein Pitch-Dokument zu bringen.

Bewaffnet mit den Drehbuch und der Vision, die ich dazu aufgebaut hatte, habe ich mich mit den örtlichen Produzenten Nguyen Anh Nguyen und Maria Grace Turgeon in Montreal getroffen. Sie haben es geliebt und waren nicht abgeneigt, obwohl es mein erster Film war. Wir haben uns für Programme zur finanziellen Unterstützung beworben und genug Zusagen bekommen, um uns für die Umsetzung zu entscheiden. Alles in allem hat es fast zwei Jahre gedauert den Film abzuschließen.

Die Geschichte besitzt einen fabelhaften Retrocharme. Hast Du eigene Jugenderinnerungen eingebaut?

Manche nennen den 80er-Look es heutzutage einen Trend. Ich denke es ist ein Generationenphänomen. Ich bin in den 80ern aufgewachsen und aus dieser Zeit gibt es viele kulturelle Anspielungen, welche Meilensteine für mich sind. Die Sachen, die einfach aus mir herauskommen ohne es zu planen oder erzwingen. Nicolas Billon, der Drehbuchautor wuchs während der gleichen Zeit auf. Der Gedanke, zu Kindheitserinnerungen zurückzugehen, hat mich an der Geschichte gereizt und dem Stil des Films zugrunde gelegen. Ophelias Erinnerung an ihre Kindheit ist durchdrungen von meinen eigenen Erinnerungen und Sam, der Tommy spielt, gibt seiner Figur vieles der unbeholfen-ahnungslosen Unschuld von der ich weiß, dass ich sie auch als Kind hatte. Er spiegelt definitiv meine Gedanken mit zwölf wieder gerade im Gegensatz zur Mentalität der meisten Mädchen in diesem Alter.

Dein Stil ist sehr außergewöhnlich. Auf der einen Seite erinnert er an große Vorbilder vom Ende des 20. Jahrhunderts und auf der anderen Seite hat der Film mit seinem ausgeprägten, ästhetischen Empfinden die Ausgestaltung geprägt. Kannst Du dazu etwas mehr erzählen?

Danke, dass du das sagst. Ich glaube wirklich an die Leistung des Teams und ich glaube wir wussten alle von Anfang an, was für einen Film wir machen. So hatten wir von Beginn an Spaß und haben die Ästhetik begeistert angenommen. Das Drehbuch bot diese verschrobene Färbung, die ich ausnutzen wollte, und noch einen Schritt weiter gehen wollte. Ich mag die Idee von Erinnerungen, die mit den Augen eines Kindes gesammelt wurden, und durch Zeitschichten verändert wurden. Der Film erzählt die Geschichte, wie Ophelia sich daran erinnert, nicht notwendigerweise, wie sie passiert ist. Das ist auch der Grund, warum ich den Film mit VHS-Aufnahmen beginnen wollte – die ja tatsächliche und unbestreitbare Archivaufnahmen von Ophelias Leben sind – aber sobald sie die Kamera ausschaltet, sind wir ihrer Erinnerung ausgeliefert. Soweit wir wissen, könnte sie sich auch einfach alles ausdenken. Ein Hinweis darauf ist, dass wenn wir zurück in den VHS-Aufnahmen des Geburtstags ihres Bruders sind, sie am Ende in die Kamera blickt, lächelt und sagt “Du gehörst jetzt mir, Tommy Lemenchick”. Sie durchbricht die vierte Wand in den VHS-Aufnahmen ihrer Kindheit. Sie hat so viel Kontrolle über ihre Erinnerungen. Das Konfetti ist ein anderes Beispiel für etwas, das offensichtlich nicht wirklich passiert ist.

In Bezug auf die filmische Ästhetik bin ich sicher, dass ich mich viel in meinem filmischen Unterbewusstsein bedient habe. Ich denke, wenn man auf den Film zurückblickt, kann man etwas die DNS des Geschichtenerzählens von Quentin Tarantino erkennen oder des Durchbrechens der vierten Wand in “Ferris macht blau” [Regie: John Hughes, 1986 Anmerk. der Red.] und so weiter. Da ich außerdem ein Storyboard Artist bin, konnten wir zusammen mit Kameramann Derek Branscombe schnell herausfinden, wie wir die Geschichte in wirkungsvolle und dynamische Aufnahmen aufteilen konnten.

Musik spielte auch eine wichtige Rolle. Ich wollte, dass unser Komponist Maxim Lepage für ein übertriebenes Spaghettiwestern-Gefühl sorgt, um das Ausmaß von Ophelias Legende einzufangen. Ich liebe das Ergebnis. Wir haben dann sogar ausgeschnittene Kakteen an den Klassenzimmertüren angebracht und das ausgedachte Videospiel mit einem Western-Motto versehen.

Zur besonderen Wirkung des Films trägt auch der Cast bei. Wie hast Du Deine Jungdarsteller gefunden?

Wir haben die nicht allzu lange Liste Englisch sprechender Kinderschauspieler in der Gegend von Montreal voll ausgeschöpft. Charli [Birdgenaw] (Ophelia) und Sam [Ashe Arnold] (Tommy) sind mir sofort ins Auge gesprungen. Ich wollte, dass Ophelia taff und hübsch ist, mit der Fähigkeit sowohl verwundbar als auch furchteinflößend – für Jungs – zu wirken. Ich denke Charli bekommt das gut hin. Für Sam wollte ich jemanden finden, der unsere Herzen schmelzen kann, Unschuld ausstrahlt und glaubwürdig das unbeholfen-ahnungslose Alter darstellen kann, das wir Jungs alle durchlaufen – und manchmal nie verlassen. Er erinnerte mich an mich selbst mit seiner Luke-Skywalker-Frisur und seinem Blick wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

Wie geht es bei Dir weiter?

Derzeit kümmere ich mich um die Finanzierung eines neuen Kurzfilms und skizziere die Geschichten von mehreren anderen Projekten, einem Langfilm und ein paar Theaterprojekten. Ich will mit meinem nächsten Projekt auch düstere Themen erkunden und genauer schauen, wie normale Menschen mit plötzlichem Chaos umgehen.

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Übersetzung von Michael Kaltenecker

Zum Weiterlesen:


Canadian filmmaker Bastien Alexandre stood out at the 19th Landshut Short Film Festival in the genre program “Stepping Stone” with his film “How Tommy Lemenchick Became a Grade 7 Legend”. Testkammer had the chance to talk to the director:

How did you come to making your first short film and where did you get the idea for it?

Nicolas Billon, the screenwriter, is a long-time friend. He actually offered me the script saying he thought this should be my first film. I had always dreamed of making films, really since childhood, but my path veered towards stage direction which I did for a number of years for Cirque du Soleil.

I loved the script immediately and told him I had the film in my head. It was a fairly straight process to take the images in my mind and produce a pitch document with them.

Armed with the script and the vision I had built to go along with it, I met with a local producers Nguyen Anh Nguyen and Maria Grace Turgeon in Montreal and pitched it. They loved it and were not put off by the fact that it was my first. We applied for programs of financial aid and got enough to decide to go for it. All and all, it took almost two years to complete it.

The story is charmingly retro. Did you integrate your own childhood and youth memories?

Some call it a trend nowadays, the 80s look. I think it’s a generational thing. I grew up in the 80s and they hold a lot of milestone cultural references for me. The kind of stuff that just comes out of me without design or force. And, Nicolas Billon, who wrote the script, also grew up in that same era. The notion of going back into a childhood memory is what drew me to the story and informed the style. And without a doubt, Ophelia’s take on her childhood is tainted by my own memories. And Sam, who plays Tommy infuses the character with a lot of that clumsy-clueless innocence that I know I displayed as a kid. He certainly reflects where my mind was at 12 in relation with the mindset of most girls of my age.

Your style is very distinctive. One the one hand I’m reminded of movies from the 80s and 90s, on the other hand there is a strong aesthetic vision apparent in every little detail of the film. Can you tell us something about your inspiration for this style and how you arrived at it?

Thank you for saying so. I truly believe in the group effort. I think we all knew from the start what kind of film we were making and we set out to have fun and embrace the esthetic full-on. The script offered a built-in quirky tone that I wanted to exploit… and take further. I like the idea of a memory collected through the eyes of a child and being altered by the layers of time. So the film tells the story the way Ophelia remembers it, not necessarily has it happened. That’s why I wanted to start with VHS footage (which is actual archival footage of Ophelia’s life, indisputable), but as soon as she shuts down the camera, we are now at the mercy of her recollection… for all we know, she might be making all of it up… A hint to that is when we go back into the VHS footage for her brother’s birthday and she looks at the camera at the end of that smiling and saying “You’re mine now Tommy Lemenchick”. She breaks the fourth wall inside VHS footage from her childhood. That’s how much control she exerts on the memories. The confetti are another example of something that clearly didn’t happen in real life…

As far as the cinematic aspect of the film goes, I’m sure I drew lots from my cinematic unconscious. I think looking back on the film, we can see DNA from some of Tarantino’s storytelling techniques, Ferris Bueller’s Day Off’s breaking of the fourth wall and so on. I also used to be a storyboard artist, so we were quick, with DOP Derek Branscombe, to figure out how to break up the story in meaningful and dynamic shots.

Music played a big part also. I asked our composer, Maxim Lepage, to go for a ranchero-spaghetti western over-the-top feeling to match the size of Ophelia’s tall tale. And I love the result. We even went so far as to put cactus cut-outs on classroom doors and to make the fake videogame western-themed.

Especially important in making the film successful is its cast. How did you find it?

We drained the not-too extensive list of English speaking child actors around Montreal. Charli [Birdgenaw] (Ophelia) and Sam [Ashe Arnold] (Tommy) really jumped out at me. I wanted Ophelia to be tough and pretty, with the ability to appear vulnerable but scary (to boys) at the same time. I think Charlie pulls that off. For Sam, I was after someone who could melt our hearts and exude innocence and also sell that clumsy-clueless age we boys all go through (and sometimes never leave). He reminded me of me with his Luke Skywalker hair and deer-in-the-headlights look.

What are your next projects?

I’m currently seeking financing for a new short and outlining stories for two more, a feature and a few projects for theatre. I want to explore darker themes with my next project and look deeper into how ordinary people deal with sudden chaos.

The questions were asked by Doreen Matthei

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